Buch: Der Alpen-Appell von Georg Bayerle
Wer das Bergsteiger-Radio des Bayerischen Rundfunks hört oder die Sendung „Bergauf Bergab“ sieht, dem ist die Stimme von Georg Bayerle seit vielen Jahren vertraut: Georg Bayerle, Journalist, Filmemacher und Buchautor. Nun hat er ein neues Buch geschrieben, einen Appell, einen Alpen-Appell: Warum die Berge nicht zum Funpark werden dürfen.
Wie es sich für einen Appell gehört, ist „Der Alpen-Appell“* nicht allzu umfangreich geraten. 160 Seiten sind es geworden. Auf denen er die Alpen als riesigen Naturraum und Kulturraum in der Mitte Europas beschreibt, der in vielerlei Hinsicht bedroht ist: Durch die Auswüchse des Skisports und des Tourismus, durch den Bau von Speicherseen zur Stromgewinnung, die ganze Täler fluten, durch den immer stärker werdenden Transitverkehr.
Und natürlich durch den, ebenfalls vom Menschen verursachten, Klimawandel, der die Alpen jetzt schon massiv betrifft und sich in den nächsten Jahren beschleunigen wird. Die Bilder von schmelzenden Gletschern als sichtbarstem Beispiel des Klimawandels kennen wir alle.
Georg Bayerle schreibt sehr gut lesbar, als Journalist kommt er schnell auf den Punkt und es gibt Beispiele über Beispiele, was in den Alpen in den letzten etwa Jahrzehnten falsch gelaufen ist und immer noch falsch läuft.
Vieles von dem, was er in diesen Kapiteln beschreibt, hat man schon einmal gelesen, schon einmal gehört oder ist gar selbst Augenzuge geworden. Aber in dieser geballten Form haben diese Zahlen, Fakten und geschilderten Erlebnisse eine besondere Wirkung.
Von dem tiefgreifenden Wandel der Landschaft und auch der Orte in den Alpen schreibt er. Von den einst kargen Hängen und Täler, deren einst überwiegend arme Bewohner innerhalb von gerade einmal zwei Generationen dank dem Tourismus sehr wohlhabend wurden.
Er schreibt von der Sorge, dass ohne immer weiteren Ausbau die Landflucht zunimmt und Täler entvölkert werden. Zeigt aber auch die grundlegenden Veränderung der alpinen Lebensräume, in denen sich Einheimische in den Dörfern kaum noch eigenen Wohnraum leisten können.
Glücklicherweise bleibt es nicht bei den deprimierenden Beschreibungen von 80.000 Schneekanonen alpenweit, Scampi im 3000 Metern Höhe und „zwei Kilometer Beleidigungsarchitektur“ in Sölden (kann ich bestätigen!), sowie der fortschreitenden Eventisierung der Alpen.
In den folgenden Kapiteln zeigt Georg Bayerle positive Beispiele. Auch hier kennt man als Bergfreund schon manches, wie die Bergsteigerdörfer und die Alpine Pearls. Beides sind Zusammenschlüsse von Alpendörfern, die auf sanften Tourismus jenseits von riesigen Hotelbauten, großen Skigebieten und Mega-Events setzen.
Daneben zeigt er Initiativen, die nicht so bekannt sind, aber für den von ihm propagierten sanften Tourismus stehen, der touristische Nutzung mit der Natur und der gewachsenen alpinen Kultur verbindet.
Etwa auf der Rauhekopfhütte, einer Berghütte der Alpenvereinssektion Frankfurt. Durch ihre sehr abgelegene Lage kann sie nicht durch einen Pächter wirtschaftlich betrieben werden. Stattdessen wird sie reihum von Freiwilligen betrieben, die so ganz eigene, intensive Hüttenerlebnisse bieten und selbst erleben.
Oder die Förderung und gemeinsame Vermarktung der alten Handwerke im osttiroler Defreggental, ebenfalls im Sinne eines sanften Tourismus.
Er lobt die Alpenkonvention, in der sich alle Alpenstaaten zum Schutz dieses einzigartigen Landschaftsraum verpflichtet haben und den Bayerischen Alpenplan, der seit 1972 große Teile der bayerischen Alpen vor Erschließungen schützt. Vor einigen Jahren musste allerdings der Bayerische Alpenplan selbst durch die Bevölkerung und Naturschutzorganisationen vor der bayerischen Regierung geschützt werden.
Die letzten Kapitel befassen sich mit den grundsätzliche Herangehensweisen, wie man die Alpen retten kann. Aber auch, was uns die Berge an Sinneseindrücken bieten. Die Frage, ob man heutzutage noch Skifahren darf wird erörtert. Dazu Gedanken über vermeintlichen Verzicht beim Reisen, der zu ganz anderen Erfahrungen, Erlebnissen und Eindrücken führt als der schnelle Konsumtourismus.
Unfreiwillig bitter, dass Georg Bayerle im letzten Kapitel des Buches im Lob über den öffentlichen Nahverkehr in der Schweiz ausgerechnet eine Fahrt bis nach Blatten im hinteren Lötschental als Beispiel nimmt. Genau jenes Dorf, das Ende Mai 2025, nachdem das Buch fertiggestellt war, durch einen Bergsturz und eine dadurch ausgelöste Überflutung komplett zerstört wurde.
Das Buch ist sehr gut zu lesen, Georg Bayerle hat einen Schreibstil, der mir sehr gefällt. Ohne Umschweife auf den Punkt, dabei aber ganzheitlich denkend. Ich kann das Buch sehr empfehlen.
Auf der Website des Tyrolia Verlages findet Ihr eine umfangreiche Leseprobe des Buches.
Der Alpen-Appell – Warum die Berge nicht zum Funpark werden dürfen
Georg Bayerle
160 Seiten
Tyrolia Verlag
ISBN: 978-3-7022-4260-2
20,00 €
Bei amazon.de*: Der Alpen-Appell – Warum die Berge nicht zum Funpark werden dürfen
Ich habe das Buch vom Verlag als Rezensions- und Belegexemplar erhalten.