Buch: Das Jahrbuch der Alpenvereine mit dem Schwerpunkt Sellrain
In jedem Jahr erscheint, wenn die Tage kürzer und kälter werden und man die Wochenenden lieber auf dem Sofa oder vor dem Kamin als im Gebirge verbringt, das Alpenvereinsjahrbuch. Die aktuelle Ausgabe Berg 2017* ist ein Buch von gut 250 Seiten Umfang. Gefüllt mit Informationen aus dem zu Ende gehenden Bergjahr, aber auch mit Geschichten, die abseits der Tagesaktualität sind und eine tiefergehende Beschäftigung mit Bergthemen versprechen.
Wie in den vergangenen Jahren habe ich das Alpenvereinsjahrbuch, das von den Alpenvereinen Deutschlands, Österreichs und Südtirols gemeinsam herausgracht wird, vom Tyrolia-Verlag als Rezensionsexemplar erhalten. Für mich gab es eine Veränderung zu den letzten Jahren. Der Schwerpunkt BergWelten handelte in den Vorjahren vom Zillertal und dem Karwendel. Regionen, in denen ich schon mehrfach selbst wandernd unterwegs war. In diesem Jahr ist das Sellrain, nicht weit von Innsbruck, Schwerpunktthema. Und da kenne ich mich noch gar nicht aus.
BergWelten: Sellrain
Eine gute Gelegenheit also, diese Region über die insgesamt acht Artikel und fast fünfzig Seiten näher kennenzulernen. Und ich glaube, da muss ich im nächten Jahr mal hin. Das Sellrain liegt zwischen dem Stubaital und dem Ötztal, zwei touristisch erheblich erschlossenen Regionen. Dass es das Sellraintal geschafft hat, durch sanftem Tourismus mit allen drei Talgemeinden in die Liste der Bergsteigerdörfer aufgenommen zu werden, macht es nur noch interessanter.
Nach dem einführenden Artikel über das Sellraintal nimmt gleich der zweite Artikel im Titel darauf Bezug: “Unser Kapital sind die Wanderwege”. Ein anderer Artikel befasst sich mit dem Klettern in den Kalkkögeln, den “Nordtiroler Dolomiten”, ein weiterer Artikel und ein interview mit dem Skitourengehen.
Einen Blick zurück in die, vielleicht gute, vielleicht auch nur harte, alte Zeit finden wir in der Geschichte über die Sellrainer Stadtwäscherinnen. Eine der wichtigsten Erwerbsquellen der Sellrainer Frauen war es früher, die Wäsche für Haushalte in der nahen Stadt Innsbruck zu waschen. Ein Gewerbe, das mit dem Aufkommen der Waschmaschinen niederging, aber erst Mitte der siebziger Jahre endgültig sein Ende fand.
Neben dem Tourismus ist einer der wichtigen Wirtschaftszweige in Tirol die Wasserwirtschaft. Wasserkraft gilt als grüne und nachhaltige Energiequelle, hat aber ihre ganz eigenen ökologischen Herausforderungen, die am Beispiel des Kraftwerks Sellrain-Silz beschrieben werden.
BergFokus
Einem Thema, das jeden Bergwanderer angeht, widmet sich der Schwerpunkt BergFokus: Es geht und die Wege und Steige im Gebirge. Die ersten zwei Artikel befassen sich mit der Historie der Bergwege. Der Aufbau des Wegenetzes durch die Alpenvereine bis zum Beginn des ersten Weltkrieges sowie die kulturhistorische Erörterung, über das Wegerecht, das festlegt, wer sich denn wann überhaupt wo im Wald und am Berg aufhalten darf.
In der Gegenwart angekommen, werden alpine Wegebereiter begleitet, die Wanderwege und Bergsteige instand halten, Beschildern und bei Bedarf auch mit geänderter Wegführung ganz neu anlegen. Das wird künftig sicher verstärkt auch durch den fortschreitenden Klimawandel notwendig werden, wie das Beispiel des Wegenetzes um die Kürsingerhütte in der Venedigergruppe zeigt.
Aber auch die Frage, ob alle Wege erhalten werden müssen oder ob man manche Wege und Steige auch bewusst aufgeben sollte, wird erörtert. Zwischen Premium-Wanderweg und No-Go-Areas gibt es eine Menge verschiedener Wegarten.
Dass nicht alle Wege schön sind und durch unberührte Natur verlaufen, nimmt man als Wanderer ebenso wahr wie die übertriebene vermarktung und Vermöbelung mancher Wege. “Geht doch!” setzt sich damit auseinander und ruft auch gleich zum zivilen Ungehorsam auf.
BergSteigen
Auch der erste Artikel von BergSteigen befasst sich mit einem Thema, das uns auf den Bergwegen immer wieder begegnet: “Die Hölle, das sind die anderen”. Und die sind, je nach eigenem Blickwinkel, entweder die Wanderer oder die Mountainbiker.
Bevor es zum internationalen Spitzenalpinismus und den alpinen Nachwuchs des vergangenen Jahres geht, werden Initiativen vorgestellt, mit denen Behinderte und Nichtbehinderte die Berge erleben oder zusammen klettern. Gelebte Inklusion im Bergsport.
BergMenschen
Wie aus der Zeit gefallen erscheint der Kugler-Bauer, der, gar nicht weit weg von der Brenner-Autobahn, als Bergbauer ein Leben lebt, wie es für die meisten von vermutlich als Ideal des einfachen Lebens gilt. Aber ob wir es wirklich könnten? Er lebt schon immer so, wie es die schöne, ruhige Geschichte “Wie viel Erde braucht der Mensch?” zum Auftakt des Kapitels BergMenschen zeigt. In weiteren Artikeln werden Raimund von Klebelsberg, der vor fünfzig Jahren verstorben ist, sowie die Alpinisten Voytek Kurtyka und Rolando Garibotti vorgestellt.
BergWissen
Noch einmal geht es Richtung Sellrain, in die Kalkkögel, die im letzten Jahr einer der aktuellen Reibungspunkte zwischen Naturschutz und touristischer Erschließung waren. Im BergWissen werden sie vorgestellt. “Bergsteigers beste Freunde”, nicht immer ist damit der Seilpartner gemeint, hier sind es Medikamente, die in großer Höhe hilfreich oder auch hochgefährlich sein können. Von Hermann Buhls Pervitin zu dubiosen Hilfsmitteln, die der Hobby-Bergsteiger schnell über das Web bestellt, um leistungsfähiger zu werden. Sicher kein Zufall, dass der folgende Artikel “Crystal Myths. Die Sache mit dem Schnee” heißt, aber hier geht es tatsächlich nur um gefrorenes Wasser.
BergKultur
Gleich drei Schmankerl gibt es zum Abschluss bei BergKultur: “Der freie Blick” ist ein Portrait des Bergfotografen Jürgen Winkler, dessen aktuelle Ausstellung im Alpinen Museum in München ich Euch ebenfalls ans Herz legen möchte.
Bei “Rockin’ the Rocks” geht es um Bergmotive in der populären Musik. Der Artikel widmet sich dem Thema viel tiefergehender, als ich es in meiner kleinen Top5 List der Berglieder getan habe. Und zum Abschluss geht es um die “Tücken des Normalwegs”, vorgestellt in alpinen Bildsatiren.
Wer dieses Blog schon länger verfolgt, weiß, dass ich ein großer Fan des Alpenvereinsjahrbuchs bin. Daher wird es Euch auch nicht wundern, dass ich Euch “Berg 2017” wieder wärmstens ans Herz legen kann. Wer gerne in den Bergen ist, wird auch bei dieser Ausgabe des Jahrbuchs wieder zum recht günstigen Preis von 18,90 Euro einige Stunden Lesefreude mit sehr guten Artikeln und tollen Bergfotos haben. Ich empfehle Euch das Buch zum selber lesen oder zum Verschenken.
Übrigens: Wenn Ihr das Buch über den Alpenverein kauft, bekommt Ihr als Alpenvereinsmitglied die neu aufgelegte AV-Karte “Stubaier Alpen/Sellrain” (1:25.000) gratis zum Buch dazu.
Alpenvereinsjahrbuch Berg 2017
Herausgeber: Deutscher Alpenverein, Österreichischer Alpenverein, Alpenverein Südtirol
256 Seiten
Tyrolia-Verlag
ISBN: 978-3-7022-3548-2
18,90 €
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