Berg 2026: Großvenediger

Das Alpenvereinsjahrbuch 2026 – Die Jubiläumsausgabe

Das Alpenvereinsjahrbuch, das gemeinsame Jahrbuch der Alpenvereine aus Deutschland, Österreich und Südtirol, feiert heuer ein rundes Jubiläum: „BERG 2026“ ist die 150. Ausgabe. Die diesjährigen Themenschwerpunkte sind „Wandel“ und „Großvenediger“. Mit dem zweiten Schwerpunkt schließt sich ein Kreis, aber dazu später.

Das Alpenvereinsjahrbuch BERG 2026 - Fotos: Tyrolia Verlag / Norbert Span

Das Alpenvereinsjahrbuch BERG 2026 – Fotos: Tyrolia Verlag / Norbert Span

Wie üblich ist der aktuelle Band „BERG 2026“* umfangreich geworden. 32 Artikel auf 256 Seiten, dazu viele Fotos, Zeichnungen, Grafiken, Landkarten. Mit langen Artikeln, die umfassend über ein Thema informieren.

Zu viele Artikel, um jeden einzelnen in einem Blogbeitrag zu würdigen, daher empfehle ich Euch einige Texte, die mir besonders gefallen haben.

BergFokus: Wandel

Das erste Kapitel befasst sich mit dem Wandel im alpinen Kontext. Natürlich denkt man da gleich an den Klimawandel in den Alpen. Georg Bayerle zeigt anhand einiger Beispiele die Auswirkungen des Klimawandels und die Anpassungsstrategien der Betroffenen. Aber auch die veränderte Wahrnehmung der Natur durch die Bergsportler. Er ist im Thema, gerade erst ist im Sommer sein Buch „Der Alpen Appell“ erschienen.

Keine Atempause - Foto: Tyrolia Verlag

Keine Atempause – Foto: Tyrolia Verlag

Auch der letzte Artikel in BergFokus, „Lebendige Berge“ widmet sich dem Klimawandel, hier den Gefahren, die Bergsportlern infolge der Klimaveränderungen drohen.

Lebendige Berge - Das Fluchthorn - Foto: Land Tirol

Lebendige Berge – Das Fluchthorn – Foto: Land Tirol

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Nicht nur die Berge und der Bergsport wandelt sich, auch die Begriffe, die wir hierfür verwenden. Das Projekt „Alpenwort“ untersucht, wie sich seit 1869 die Sprache über Berge, Bergsportler und Bergsportlerinnen verändert hat und in welchen Kombinationen Begriffe verwendet wurden und werden.

Manche Begriffe verlieren sich einfach im Laufe der Zeit, andere werden als problematisch angesehen, wieder andere spiegeln die Veränderung von Rollenbildern wieder. Ein ungewöhnlicher, aber interessanter Artikel.

BergWelten: Großvenediger

In der ersten Ausgabe des Alpenvereinsjahrbuchs widmete ihm Friedrich Simony den langen Text „Aus der Venedigergruppe“.

Jetzt, zum 150. Jubiläum, bekommt der Großvenediger, der „leuchtende Berg“, die „weltalte Majestät“ (womit ich dieses Zitat, das angeblich in jedem Großvenediger-Text steht, nun auch eingebaut habe), ein neues, umfassendes Portrait.

Eingeleitet mit einem Artikel, der „Der langweilige Berg“ betitelt ist. Na servus, das ist ja mal eine Würdigung. Aber ein interessanter Artikel über den Großvenediger und den Zugang des Autors zu ihm.

Gefolgt von einem langen Interview mit zwei Bergführern am Großvenediger: „Jeder Aufstieg ist anders“.

Erforschung der Vegetation unterhalb von Großvenediger und Schlatenkees - Foto: Tyrolia Verlag

Erforschung der Vegetation unterhalb von Großvenediger und Schlatenkees – Foto: Tyrolia Verlag

Am meisten beeindruckt haben mich zwei historische Artikel. Die „Alpen-Sherpas“ berichtet vom Leben und den Strapazen der Träger zu der Zeit, als die Hütten in den Alpen gebaut wurden. Eine Schwerstarbeit ohne moderne technische Hilfsmittel, die man sich heute kaum noch vorstellen kann, über die man aber gelesen haben sollte.

Vor allem aber möchte ich Euch den Artikel „Wandern gegen das Vergessen“ empfehlen, der die sogenannte „Krimmler Judenflucht“ im Jahr 1947 beschreibt.

Wandern gegen das Vergessen - Foto: Tyrolia Verlag

Wandern gegen das Vergessen – Foto: Tyrolia Verlag

Bis zu 8000 Juden, die den Holocaust überlebt hatten und als Displaced Persons in Österreichischen Lagern lebten, flohen über den Krimmler Tauern nach Italien, um von dort per Schiff nach Palästina zu gelangen.

In Gruppen zu 150-200 Personen machten sie sich nachts auf den lebensgefährlichen Weg, organisiert von der jüdischen Fluchthilfeorganisation Bricha. Mehr als 28 Kilometer weit gingen sie durch das Hochgebirge vom Salzburger Land über den Alpenhauptkamm ins südtiroler Ahrntal.

1600 Höhenmeter im Aufstieg, 1000 Höhenmeter im Abstieg. Überwunden von Menschen die von Krieg, Verfolgung und Zwangsarbeit gezeichnet waren. Die meisten von ihnen ohne Bergerfahrung, ohne festes Schuhwerk oder andere Ausrüstung, ohne Licht.

Heute veranstaltet der Verein Alpine Peace Crossing jedes Jahr eine Gedenkwanderung, bei der auch immer Nachkommen der damaligen Beteiligten mitwandern.

Der Artikel beschreibt diese Alpenüberquerung und ihre Begleitumstände detailliert und eindrücklich. Er ist nicht der erste, den ich über das Thema gelesen habe, aber ein sehr umfassender. Ich empfehle ihn Euch sehr.

BergMenschen

Im Kapitel BergMenschen werden immer wieder mit den Bergen verbundene Menschen vorgestellt, die ich entweder noch gar nicht kannte oder von denen ich nur wenig wusste. In diesem Band kannte ich sie alle nicht.

Heidi Wettstein, die seit 20 Jahren Hüttenwirtin auf der Müllerhütte in den Stubaier Alpen ist, einer der extremst gelegenen hochalpinen Hütten. Und Walter Mair, langjähriger Alpenvereinsobmann aus Osttirol und Wanderbuchautor über die dortigen Berge. Zwei Portraits, die ich gerne gelesen habe, bringen uns die beiden näher.

Heidi Wettstein auf der Müllerhütte - Foto: Tyrolia Verlag

Heidi Wettstein auf der Müllerhütte – Foto: Tyrolia Verlag

BergSteigen

Die Chronik des Alpinismus erwartet man im Kapitel BergSteigen. Natürlich gibt es sie auch in dieser Ausgabe, aber nur als einer von vielen Artikeln.

Das Kapitel startet mit einem Artikel über die radikalste und umstrittenste Form des Kletterns, das Free Solo. Der Artikel „Allein die Sicherheit“ stellt Überlegungen über Risiko, Freiheit und Verantwortung, Leidenschaft und mögliche Fremdbestimmtheit an. Und wie weit darüber berichtet werden sollte. Egal, welche Meinung man vorher zu Free Solo hat, es lohnt sich, den Artikel zu lesen.

Eine sehr interessante historische Abhandlung fand ich den Beitrag über Bergstöcke, die in vielen Bergregionen der Welt bekannt sind. Aber auch im flachen Friesland.

Über die richtigen Techniken, die langwierige Herstellung eines echten Bergstocks aus Haselnussholz und Skifahren mit einem Alpenstock erfahren wir. Und auch, dass manche Bergführer, zum Beispiel am Großvenediger, den Bergstock heute wieder nutzen, nachdem er schon im 19. Jahrhundert als veraltet erschien.

Aufstieg mit dem Bergstock - Bild: Tyrolia Verlag

Aufstieg mit dem Bergstock – Bild: Tyrolia Verlag

„Holt mich hier raus!“ Ein Artikel über Bergretter, Erwartungshaltungen und Eigenverantwortung. Eine unbedingte Leseempfehlung!

Holt mich hier raus! Bergrettung - Foto: Bergrettung Kaltern

Holt mich hier raus! Bergrettung – Foto: Bergrettung Kaltern

Auch ein Artikel, der den Horizont erweitert, ist „Mehr Respekt bitte!“. Über Sexismus in den Bergen, mit teils haarsträubenden Beispielen, die Frauen im Bergsport erleben. Dazu ein Interview mit einem schwulen Bergführer.

BergWissen

Das BergWissen beginnt mit mehreren Artikeln, die, aus verschiedenen Gesichtspunkten, die Veränderungen durch den Klimawandel in der Bergwelt beschreiben. Das Verhalten von Bergfreunden in der Natur, die Klimaschutzanstrengungen des DAV und des OeAV, aber auch die Veränderung des Lebensraumes der Gämsen.

Besonders interessant fand ich diesmal aber die letzten zwei Artikel: Über die sehr wechselhafte Geschichte der Landshuter Hütte, die genau auf dem Alpenhauptkamm errichtet wurde. Und die aufgrund dieser Lage vom ersten bis nach dem zweiten Weltkrieg zum Spielball der Politik wurde.

Heute wird sie, unter dem Namen Europahütte, gemeinsam von den Alpenvereinssektionen Landshut und Sterzing betrieben und ist ein Beispiel für grenzüberschreitende Zusammenarbeit.

Am Wilden Freiger - Foto: Norbert Span

Am Wilden Freiger – Foto: Norbert Span

Zuletzt geht es um eine der schönsten Spielarten der Alpenfotografie, die Sternenfotografie. Ein Interview, tolle Fotos und die drei, ziemlich simplen, ultimativen Tipps zur Sternenfotografie.

BergKultur

Die BergKultur startet mit einem Artikel über die Buchreihe BERG. Ihren Wandel in 150 Jahren, besonders in den letzten Jahrzehnten. Und der Frage: Braucht es überhaupt in der heutigen Zeit von Instagram und TikTok noch ein Buch? Die Redakteur Axel Klemmer wie folgt beantwortet:

„Das Jahrbuch mag nicht mehr zeitgemäß sein, dafür ist es zeitlos. Als Jahresproduktion ist es langsamst analog, mit sorgfältig recherchierten und produzierten Texten, die gründlich kuratiert werden. Damit setzt es einen Kontrapunkt vieler digitaler Formate.“

Dem kann ich mich vorbehaltlos anschließen.

Das Kapitel endet mit Texten, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Einem sehr persönlichen Beitrag des Autors Clemens J. Seitz über einen Schulausflug auf den Sass Pordoi und KI generierten Texten über den am Mount Everest verschollenen George Mallory, der seiner Frau Ruth als Geist erscheint.
Ich bevorzuge den Artikel von Clemens J. Seitz. Sorry, KI.

Wie in jedem Jahr kann ich Euch das Alpenvereinsjahrbuch wieder sehr empfehlen. Hochwertig in Ausführung und Inhalt ist es zum selber Lesen ebenso geeignet wie als Geschenk für alle, die gerne in den Bergen sind. Für 25 Euro bekommt man meiner Meinung nach in keinem Buch mehr Berg als hier.

Alpenvereinsjahrbuch BERG 20265: BergWelten: Großvenediger

256 Seiten
Tyrolia Verlag
ISBN: 978-3-7022-4320-3
25
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Ich habe das Buch vom Verlag als Rezensions- und Belegexemplar erhalten.

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