Von Düsseldorf über Witten nach München – das Futuro

Das Futuro bei der Pinakothek der Moderne in München

Der kleine Junge, er mag fünf oder sechs Jahre alt sein, steht an der Reling des weißen Schiffes, das über den mächtigen Fluss nach Norden fährt. Der nach Wasser, Schiffsdiesel und großer, weiter Welt riechende Wind weht ihm ins Gesicht, während langsam die Landschaft vorbeizieht. Seit der Abfahrt am alten Schloßturm hat das Schiff die Stadt mit ihren weit geschwungenen Brücken passiert, auch die vielen wie Stacheln nach oben stehenden Pfeiler des Stadions sind vorübergezogen. Gerade hatte das Schiff im alten Dorf mit der Burgruine angelegt, jetzt fährt es weiter, an Orten vorbei, die der kleine Junge noch nicht kennt. Da erblickt er auf einem der nahe am Ufer stehenden Häuser etwas, das er noch nie gesehen hat. Es sieht aus, als käme es aus einer anderen Welt …

Das Futoro auf der Wiese vor der Pinakothek der Moderne in München

Das Futoro auf der Wiese vor der Pinakothek der Moderne in München

Verbindungen

Manchmal treffe ich auf unerwartete Verbindungen zwischen meiner Heimatstadt Düsseldorf und meiner inzwischen auch nicht mehr so neuen Heimat München. So hängen seit langen Zeiten wesentliche Teile der Bildersammlung des geliebten Kurfürsten Jan Wellem, der einer Linie der Wittelsbacher entstammte, in der Alten Pinakothek. Angeblich soll es sich um ein Dutzend Wagenladungen voller Bilder handeln, die damals von Düsseldorf nach München verbracht wurden.

Seit einigen Wochen steht nun ein ganz anderes, wesentlich moderneres Objekt gegenüber der Alten Pinakothek, auf der anderen Straßenseite der Barer Straße.

Neben der Pinakothek der Moderne ist ein Futuro gelandet. Und auch bei diesem Objekt besteht eine Verbindung zwischen Düsseldorf und München. Dazu noch eine in die Berge, weshalb es auch in dieses Blog passt.

Das Futuro

Das Futuro-Haus wurde Ende der Sechziger Jahre vom finnischen Architekten Matti Suuronen entwickelt und in einer kleinen Serie von etwa 60 bis 100 Stück gebaut. Die Angaben schwanken und sind wohl nicht mehr genau zu rekonstruieren. Etwa 60 Futuros soll es heute noch geben.

Sicher nicht zufällig hat es seine an ein Ufo erinnernde Form erhalten. In der Zeit des Wettlaufs zum Mond, ungebremstem Fortschrittsglauben, Raumschiff Enterprise und der Raumpatroullie Orion (wobei ich nicht weiß, ob Herr Suuronen diese Serie kannte), war alles, was mit Weltraum und Futurismus in Verbindung gebracht werden konnte, schwer angesagt.

Auch wenn es nur auf der Wiese steht, sieht es sehr futuristisch aus

Auch wenn es nur auf der Wiese steht, sieht es sehr futuristisch aus

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Die Idee von Matti Suuronen war, ein Haus in Serie zu bauen, das als Ski- und Berghütte dienen konnte. Dafür musste es leicht zu transportieren und zu montieren sein, damit es mit relativ geringem Aufwand in die unwegsamen Berge transportiert werde konnte. Schön zu sehen ist es in dem Modellfoto auf der Website der Pinakothek.

Um es transportieren zu können, besteht das Futuro aus sechzehn Segmenten aus mit Hartschaum gefülltem Glasfaserlaminat, die zusammengesetzt das Haus in Form eines Ellipsoids ergeben.

Etwa 25 Quadratmeter Fläche hat ein Futuro, der Durchmesser beträgt acht Meter, die Höhe sechs Meter. Die Bullaugenfenster, die rund um das Futuro angeordnet sind, bieten Aussicht auf die großartige Bergwelt rundherum. Oder auf das Münchner Kunstareal. Die ausklappbare Eingangstreppe sorgt endgültig für ein Raumschiffgefühl.

Das Futuro vor der Fassade der Pinakothek

Das Futuro vor der Fassade der Pinakothek

Und wo ist jetzt die Verbindung zu Düsseldorf?

Ganz im Norden von Düsseldorf, in Wittlaer, lebte der 1932 geborene und 2005 gestorbene Werber, Fotograf, Space Art Künstler und “ARTronaut” Charles Wilp. Den Älteren wird er als Macher der in den Sechzigern revolutionären Afri-Cola Werbung in Erinnerung sein. Wie die Aufzählung oben schon zeigt, war Charles Wilp vom Weltall und der Raumfahrt fasziniert.

Und so setzte er sich eines der Futuro-Häuser auf das Dach seines Hauses in Düsseldorf-Wittlaer. Gut, dass er mit dem damaligen Verteidigungsminister und spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt befreundet war, der für den Transport des Futuro einen Bundeswehr-Hubschrauber organisiert hat. Ob das heutzutage noch möglich wäre?

Die Düsseldorfer Stadtverwaltung hat damals den Werbewert der Installation für die Kunststadt Düsseldorf nicht erkannt und 1973 verfügt, dass das Futuro wieder vom Hausdach entfernt werden musste. Man sorgte sich um das Stadtbild, schließlich war das Ding vom Rhein aus zu sehen. Stadtbild gerettet, Attraktion verloren. So wurde das Futuro abgebaut und kam schließlich nach Witten, die Geburtsstadt von Charles Wilp.

I see faces

I see faces

Doch offenbar gab es auch dort Probleme mit dem Standort am alten Pumpenhaus. Aktuell ist das Futuro von Charles Wilp in München gelandet, im Außenbereich der Pinakothek der Moderne, die immer einen Besuch wert ist.

Im Inneren ist das Futuro in der aktuellen Form eher unspektakulär. Die gebogenen Wände sind knallorange, neben den Bullaugenfenstern gibt es noch eine Dachluke. Abgesehen von einer fast komplett umlaufenden Sitzbank ist das Futuro sonst leer. Aber der Blick von Innen nach Außen ist auch irgendwie besonders.

So interessant das Futuro aussieht, eigentlich bin ich doch ganz froh, dass es nicht massenweise auf die Berge transportiert und dort als Berghütte installiert wurde. Eines wäre schon in Ordnung, aber irgendwie passt es dann doch nicht in die Alpenwelt. Was meint Ihr?

Erinnerung oder Täuschung?

Der mittlerweile nicht mehr so kleine Junge las schon vor einiger Zeit über das Futuro und hatte das Gefühl, dass er es damals in Düsseldorf von einem der Rheinbahnschiffe aus gesehen hatte. Da diese Schiffe aber im Linienverkehr nur bis Kaiserswerth fuhren, kann es sich nur um eine Fahrt in den Duisburger Hafen gehandelt haben.

Nach einigem Nachdenken ist er sich aber gar nicht mehr so sicher, ob er es damals “in echt” gesehen hat. Möglicherweise hat die Fantasie nur aus den vielen Schifffahrten nach Kaiserswerth und Fotos und Filmberichten über das Ufo auf dem Dach eine ganz neue Erinnerung konstruiert. Aber wer weiß das schon? Und was macht es schon, wenn sich hier auf so schöne Art ein Kreis schließt?

Hier findet Ihr das Futuro

Fahrt in die Barer Straße in München und schaut Euch das Futuro an. Es lohnt sich. Am einfachsten kommt Ihr öffentlich hin, mit der Tram 27 oder dem Bus 100, jeweils bis zur Haltestelle Pinakotheken. Von dort aus sind es nur ein, zwei Minuten bis zur Wiese neben der Pinakothek der Moderne. Von Außen ist das Futuro durchgehend zu besichtigen. Von Innen kann man es zu diesen Zeiten besuchen: Donnerstags von 15-20 Uhr, am Wochenende von 15-18 Uhr.

Links:
Das Futuro auf der Site der Pinakothek der Moderne, bei detail.de, dnstdm.de und bei pixelrakete.de
Muenchner-feuilleton.de über das Futuro
Das Futuro in der Wikipedia
Wikipedia-Artikel über Matti Suuronen (englisch), Charles Wilp und Jan Wellem
Die Website zum House: www.futurohouse.net
Auch die Ironblogger München Kollegin Irene hat im Maxvorstadtblog.de über das Ufo-Haus gebloggt.

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2 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Das Futuro-Haus, das in der Pinakothek der Moderne ausgestellt ist, ist nicht das Düsseldorfer Haus, sondern ein zweites, von Charles Wilp designtes Haus, stand in Vlotho Seit Anfang der 70er Jahre bis etwa 2005 vor der Firma ASV Stübbe, wurde von dort nach Witten verkauft und kam dann nach München.

  2. Hallo Klaus,
    vielen Dank für die Information! Dass er gleich mit zwei Futuros zu tun hatte, wusste ich noch nicht.
    Viele Grüße
    Uli

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