Ein Abend im Notfall-Biwaksack

Der Notfall-Biwaksack von Mountain-Equipment im unfreiwilligen Test

Hier sitze ich nun in meinem Biwaksack und mir ist sehr kalt. Es ist Mitte Dezember und um mich herum sind nur Dunkelheit und Stille. Die bewaldeten Berge ringsherum und der See wenige Meter unter mir sind pechschwarz. Hier gibt es keine Ortschaft, nicht einmal ein einzelnes Haus ist zu sehen. Kein Mensch, kein Tier. Auch der Mond bringt keine Helligkeit, zwei Tage zuvor war Neumond. Nur eine sehr schmale Mondsichel ist zu sehen, ein paar Sterne, das war’s. Gerade einmal so viel Licht, dass ich meine Atemwolken sehen kann.

So groß wie ein Playmobil-Manschgerl: Der Notfall-Biwaksack von Mountain Equipment

So groß wie ein Playmobil-Manschgerl: Der Notfall-Biwaksack von Mountain Equipment

Seit Jahren habe ich den Notfall-Biwaksack im Rucksack, nie habe ich ihn gebraucht. Jetzt ist es soweit. Fast muss ich lachen, so absurd erscheint mir das Ganze. Nie hätte ich gedacht, dass ich meinen Biwacksack einmal in so einer Situation testen werde.

Ich sehe auf die roten Ziffern der Digitalanzeige: Drei Grad, zwei Grad, ein Grad. Denn, das ist das einzig gute an diesem Dezemberabend: Ich sitze nicht mit gebrochenem Beim oder einer Kopfverletzung auf einem Felsen oder einer Bergwiese oben am Berg, sondern gesund im Autositz. Auf dem Parkplatz am Sylvensteinsee, direkt vor der großen Brücke, die das im See versunkene Dorf Fall überquert.

Ich warte auf den Abschleppdienst, denn heute war es soweit. Mit einem letzten Klacken des Anlassers hat sich die Autobatterie verabschiedet. Ausgerechnet hier. Nur noch die rote Anzeige des Bordcomputers funktioniert. Und zeigt mir an, dass die Temperatur jetzt auf dem Gefrierpunkt angekommen ist. Meine Laune übrigens auch fast.

Natürlich habe ich ein Überbrückungskabel. Zu Hause, in der Garage. Einige andere Autofahrer auf dem Parkplatz hätten mir geholfen, doch ein Überbrückungskabel hatten sie leider auch nicht dabei. Also habe ich den Abschleppdienst angerufen, der nun bald aus Bad Tölz kommen soll.

Am Sylvensteinsee, hier noch mit Sonne

Am Sylvensteinsee, hier noch mit Sonne

Die letzten Autos haben den Parkplatz vor einer Stunde verlassen. Seitdem sitze ich hier in der Einsamkeit. Nur manchmal leuchten Scheinwerfer durch den finsteren Wald, dann sehe ich für ein paar Sekunden die Rücklichter der Autos, die aus Fall, Vorderriss oder aus der Eng im Karwendel kommen und nun nach Hause Richtung München fahren.

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Dann ist es wieder dunkel und ich sitze wieder völlig allein in der Kälte. Atemwölkchen, Digitalthermometer, Dunkelheit, Müsliriegel. Immerhin ein Müsliriegel.

Bis der Abschlepper kommt, kann ich mir über den Biwaksack Gedanken machen. Knapp 110 Gramm schwer ist er und eingepackt etwa so groß wie ein Tennisball. Entfaltet wird er so groß, dass ich bequem hineinpasse. Nur mein Kopf schaut noch heraus. Ich versuche, den Sack am Halsende so zuzustopfen, dass möglichst keine Kälte von oben reinfließen kann.

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Das Auto ist schon längst ausgekühlt. Vor Wind und Regen oder Schnee würde es mich noch schützen, vor der Kälte aber schon lange nicht mehr. Mir ist auch kalt. Gleichzeitig schwitze ich. Kalt, weil der Biwacksack doch nur eine dünne Metallhülle ist, etwa so dick wie ein Müllsack. Und ich schwitze, weil er auch so atmungsaktiv ist wie ein Müllsack: Gar nicht. Ich sitze im eigenen Sud.

Außen leuchtend Orange, innen reflektierendes Silber

Außen leuchtend Orange, innen reflektierendes Silber

Das ist die Idee des Biwacksacks: Die Metallhülle reflektiert bis zu 90% der Körperwärme, die man abgibt und bewahrt so den Körper vor Auskühlung und gefährlicher Unterkühlung.

Wie gut das funktioniert, merke ich, als ich aus dem Biwaksack herausklettere. Sofort ist es viel kälter. Und ich bin doppelt froh, dass ich nicht im Freien übernachten muss. Ohne Biwaksack wäre eine ganze Nacht im Freien bei diesen Temperaturen wohl lebensgefährlich, im Sack immer noch saukalt, aber wahrscheinlich überlebbar.

Ich muss hier zum Glück keine ganze Nacht verbringen, aber während meiner gerade einmal 90 Minuten Wartezeit bewahrt mich der Sack immerhin vor einer kräftigen Erkältung.

Sehr zufrieden bin ich mit der Haltbarkeit des Sacks. Mit meinen Bergschuhen an den Füßen bin ich hineingestiegen, ohne darauf zu achten, ob vielleicht spitze Steinchen im Profile der Sohlen klemmen. Die Stiefel, das Zurechtruckeln oder die Zipper der Reißverschlüsse, nichts hat die dünne Metallfolie eingerissen. Ich hätte sie für empfindlicher gehalten.

Und ich bin sehr froh, dass es ein Sack ist, keine reine Rettungsdecke. Die wäre besser als nichts, aber hier im Sack bin ich rundrum von der reflektierenden Folie umgeben, ohne Luftlöcher.

Obwohl die Folie sehr dünn ist, ist sie robuster, als ich gedacht hätte

Obwohl die Folie sehr dünn ist, ist sie robuster, als ich gedacht hätte

Nach gut 90 Minuten kommt der gelbe Abschleppwagen dann auch. Mit einem Köfferchen, wie ein Defibrillator für Autobatterien. Wenige Sekunden später läuft der Motor wieder und ich folge den gelben Blinklichtern aus eigener Motorkraft nach Bad Tölz, wo es dann gleich eine neue Batterie für das Auto und einen Kaffee für mich gibt. Alles wieder gut.

Was nehme ich jetzt mit von diesem unfreiwilligen Testabend in der Dunkelheit des Sylvensteinsees? Die Erkenntnis, dass es richtig war, immer den Biwaksack mitzunehmen, selbst an Tagen, an denen ich nur kleine Wanderungen unternommen habe. Dass der Sack robuster ist als ich gedacht hätte. Und dass er zwar nicht für wohlige Wärme sorgt, aber doch einen spürbaren Schutz vor Auskühlung bietet.

Klare Empfehlung: Der Notfall-Biwaksack kommt in den Rucksack

Klare Empfehlung: Der Notfall-Biwaksack kommt in den Rucksack

Daher mein Rat: Packt Euch einen Notfall-Biwacksack in den Rucksack. Und vielleicht sogar einen ins Auto, selbst wenn Ihr keine Wanderer seid. Denn er hilft wirklich, wie ich selber testen konnte.

Mein Biwaksack, der Mountain Equipment “Ultralight Bivi” ist als Notfall-Biwacksack üfr den einmaligen Gebrauch konzipiert, nicht für geplante Übernachtungen im Freien. Dafür gibt es andere Modelle, die haltbarer, aber auch schwerer und teurer sind. Aufgrund des Gewichts und der doch recht guten Haltbarkeit könnte er möglicherweise auch für Ultraleicht-Wanderer interessant sein, wobei ich da keine Empfehlung abgeben möchte.

Er ist in einem kleinen Säckcken verpackt und metallisch-orange, so dass er im Notfall auch von Rettern oder von einem Hubschrauber aus gut sichtbar wäre. Preislich liegt er bei knapp 20 Euro, also gerade mal soviel wie man für eine Mütze ausgibt. Da er leicht und klein ist, kann man ihn immer im Rucksack mitnehmen, was ich Euch sehr empfehlen kann.

Positiv:

  • Klein, leicht
  • Günstig
  • Stabil
  • Orange Außenhülle
  • Kann Leben retten

Negativ:

  • Schleppt man im Idealfall ein Wanderleben lang mit, ohne ihn zu benutzen

Ausstattung: Mountain Equipment Biwaksack “Ultralight Bivi” *

  • Biwaksack aus Polyethylen
  • im schwarz-orangem Beutel mit Kordelzug
  • Größe: ca. 210 x 90 Zentimeter
  • Gewicht: 108 Gramm (gewogen, inkl. Beutel)
  • Preis: ca. 20 Euro

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9 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Neben der Funktion als wärmende Hülle ist der Biwaksack übrigens auch gut brauchbar, wenn man einen Verletzten (ab-)transportieren (z.B. zur Landestelle für den Heli). Das funktioniert sogar mit dem Ultralight Bivi.

    Dazu breitet man den Sack aus, legt jeweils zwei Trekkingstöcke überlappend bei 1/3 und 2/3 der Breite. Dann schlägt man die äußeren Drittel in die Mitte und erhält somit eine Trage. Mit 4-6 Personen kann man so einen Verletzten ganz gut abtransportieren.

    In unserem Versuch hat das ganz gut funktioniert. Das macht der Ultralight Bivi zwar nur 1x mit, dafür sind die Kosten aber ja auch im Rahmen 😉

  2. Hey, das kommt mir bekannt vor. Ich saß jüngst auf Korsika bei Nacht im Wald fest. Es hatte zwei, drei Grad und die Autobatterie hatte den Geist aufgegeben. Zum Glück hatte ich mein ganzen Campingzeug dabei – inklusive zwei Daunenjacken.

    Grüße
    Flo

  3. Hallo Uli,
    was für ein Glück, dass Du den Biwaksack in einer relativ harmlosen Situation ausprobieren ‘durftest’. Da sieht man wie wichtig es ist, dass man ihn wirklich immer dabei hat.
    Viele Grüße
    Biene

  4. Hallo Thomas,

    dass man sich aus dem Bivi eine Trage basteln kann, daran hätte ich nicht gedacht. War in der Situation zum Glück auch nicht nötig. Und dass man ihn danach wegwerfen kann, ist in dem Fall j auch zweitrangig, solange der Verletzte vom Berg oder zu einem Rettungspunkt transportiert werden kann.

    Viele Grüße,
    Uli

  5. Hi Biene, hi Flo,

    Campingausrüstung hatte ich nicht dabei, nur den Biwaksack. Und den hätte ich eigentlich auch gerne noch ein paar Jahre in der Hülle gelassen 😉 Eine blöde Situation, aber im Nachhinein ganz lustig und immerhin hat sie zu einem Artikel geführt. Ich hab mir auch gleich einen frischen Nachfolger gekauft, der jetzt im Rucksack liegt.

    Viele Grüße,
    Uli

  6. Zunächst: Im Winter habe ich im Auto immer auch eine Extrajacke, warme Unterziehwäsche und einen warmen Schlafsack dabei, so viel Platz muss sein. Panne, Stau, Unfall, kann alles passieren. Der Schlafsack dürfte doch einiges mehr bringen, als eine Kunststoffolie. Und ich hab ihn bereit, wenn ich spontan länger unterwegs bin.
    k
    Da ich öfter bewußt auf dem Gipfel übernachte (nur bei Gewitterfreiheit!), weiß ich, wovon ich rede: Ein Biwaksack allein verringert die Überlebenstemperatur vielleicht um einige Grad bzw. verlängert im Notfall die Überlebensdauer um Minuten bis max. wenige Stunden, ist aber bei Wintertemperaturen keinesfalls eine Sicherheit gegen Erfrieren!
    Gerade in der Werbung/Onlineshops wird dieses oft fahrlässig dargestellt und Anfänger so zu Leichtsinn verleitet.
    Zu halbwegs sicherem Übernachten, egal ob geplant oder ungeplant, gehört in den Biwaksack noch ein der erwarteten Temperatur angepasster (Winter-) Schlafsack. Der Sack schützt außen eher vor Regen und Wind.
    Den dünnen Foliensack habe ich auch mal ausprobiert bei ganz leichtem Gefälle (und seinen Notfallplatz kann man sich nicht immer aussuchen), am Morgen lag ich durch das Fußende durchgebrochen im Freien. Man sollte sich also nicht zu sehr darauf verlassen.
    Ganz zumachen darf man die Folie auch nicht, wegen Erstickungsgefahr – auch das steht nicht in der Werbung/Anleitung.
    Sonst wie gesagt, warmen Schlafsack in einen (stabileren) Biwaksack.

    @Thomas: Ich kann mir kaum vorstellen, dass -wie oben beschrieben- die Trekkingstöcke sich nicht schon durch den Bogen an der Spitze durch den Plastiksack bohren würden.

  7. Ich selber habe meinen Biwaksack auch immer dabei. Hab schon so einige Geschichten von Kollegen gehört, wo es ohne einen solchen schlimm ausgegangen wäre. Vorsicht ist eben besser als Nachsicht 😉

  8. Hallo,

    hab diesen “Mini” Biwaksack schon öfter gesehen, aber bisher ehrlich gesagt unterschätzt. Nach deinem Bericht ist dieser Bivi was für mein Survivalset und wird in Zukunft meine Rettungsdecke ersetzen. Dane für den Bericht & LG

  9. Eine Freundin und ich kamen bereits in eine weit gefährlichere Situation und haben dank jeweils einem Biwaksack ganz ähnlicher Bauform etwa 12 Stunden direkt unterhalb des Matscher Gletschers eine ganze Gewitternacht auf 2800 Metern durchgestanden. Außer Unterkühlungen und derb zerlöcherter Biwaksäcke (es ist gerade im schroffigen Gelände und Geröll nur eine Frage der Zeit) ist uns, Gott sei gedankt, nichts zugestoßen.

    Angenehm war die Nacht mit Sicherheit nicht. Wir waren psychisch und physisch beim Morgengrauen schon sehr am Ende, völlig durchnässt und halb erfroren (trotz warmer und regenfester Zusatzbekleidung; nützt halt nur auf Zeit bei 4°C und Dauergewitter); eine Erfahrung, die ich nicht noch einmal haben möchte und die unangenehm den Horizont erweitert. Aber: Wir haben es überstanden; nicht zuletzt mithilfe der Biwaksäcke als zusätzlichen Thermoschutz. Daher habe ich nun IMMER und ÜBERALL einen Biwacksack dabei.

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